von David Doebel
In folgendem ein fiktives Streitgespräch zwischen einem Aussteiger und Aufsteiger.
Der Aussteiger ist egoistisch, selbstbezogen, freiheitsliebend. Dabei bemerkt er aber nicht, dass das Abbrechen jeglicher Bindungen für maximale Freiheit zu Bezugslosigkeit und Einsamkeit führt.
Der Aufsteiger ist auch egoistisch, heischt nach Erfolg und wird einsam in seinem Trott aus Arbeit bis zur Erschöpfung und anschließender Belohnung, oder besser gesagt Betäubung durch nutzlose Konsumgüter. Von seinem Umfeld nimmt er nur das nötigste Wahr und vegetiert in seinem beschränkten Horizont dahin, verschwendet seine Lebenszeit und will erst zum Lebensende, wenn er nicht mehr kann anfangen „richtig“ zu leben. Ich hingegen lebe von vornherein „richtig“.
Da haben wir es: Sie beschweren sich zuerst über unser Wirtschaftssystem und anstatt es aktiv zu verändern fliehen sie vor Verantwortung und entsolidarisieren sich. Außerdem: Ist es nicht äußerst arrogant sich höher als die „normale“ Gesellschaft zu stellen. Für was halten Sie sich? Ich unterstelle jetzt einmal der Masse der Aussteiger einen schlechten, bis gar keine Bildungsabschluss, keine Arbeitserfahrung und kein Beitrag zum Allgemeinwohl (Steuern, etc. ). Ist es da nicht anmaßend sich als besonders erfahren oder mündig darzustellen?
Warum soll ich ein System verändern? Warum soll ich mir das antun im Dreck zu wühlen, und vor allem wie, wenn mich niemand anhören will. Um einen besseren Weg für die Gesellschaft zu zeigen, muss ich mich ja in die Position des Mündigen begeben. Außerdem gibt es auf der Welt so viele schönere Umgebungen, die man gar nicht erst zu verändern braucht. In diese begebe ich mich und solidarisiere mich dort, um sie noch besser zu machen.
Ja in der Tat: Sie solidarisieren sich zu Gruppen von Einsiedlern und identifizieren sich als DIE Auserwählten unserer Gesellschaft. Dabei finden Sie sich mit denselben Problemen konfrontiert, Machtverteilung, Aufteilen von Ressourcen und das über die Runden kommen. Dabei mangelt es nicht an Inkonsequenz sich wiederum vom „System“ zu versorgen und dort zu arbeiten. Man wähnt sich zwar im höchsten Glück, lebt aber als verwahrloster Mittelloser im Wald.
Das sehen Sie nur so, weil sie Glück über Besitztümer definieren. Ich hingegen versuche ursprünglich zu leben, im Einklang mit der Natur. Und in der Tat kann ich nicht völlig autark leben, aber meine Ansprüche an das System sind minimal genauso wie sie es an mein Arbeitspensum sind. Das ist doch schonmal ein Anfang, und allemal besser als weiter die Umwelt zu verpesten und sich abzurackern.
Sie definieren Glück genauso über Besitztümer, nur dass bei mir beim Kauf von Konsumgütern Dopamin ausgeschüttet wird und bei Ihnen wenn sie etwas willentlich nicht kaufen, also verzichten. Man könnte das einen Negativkonsumenten nennen. Aber die Wahrheit ist, Geld allein macht nicht glücklich und kein Geld allein macht auch nicht glücklich. Und was die Ursprünglichkeit angeht, so ist es ein Fass ohne Boden. Erstens kann man diesen Begriff vom Verzicht auf ein Handy bis zum (über-)leben in einer Höhle weit fassen und ob das zweitens auch gleichzeitig besser bedeutet ist die große Frage. Alles war einmal neumodisch.
Selbstverständlich ist das Leben ohne digitale Geräte besser, denn die Menschheit bewegt sich da in einen Abgrund, der nicht mehr gut für sie selbst sein kann. Nehmen wir 5G. Das sind Mikrowellen, die Krebs und Zurückbildung des Gehirns hervorrufen können, oder Fracking. Mit hochgiftigen Chemikalien werden letzte Tropfen Erdöl aus der Erde gepresst. Diese können dann ins Grundwasser gelangen und dieses irreparabel vergiften. Diese Auswüchse zu boykottieren ist natürlich besser, gerade das ist die Ursprünglichkeit. Weiter, wenn man die Prognosen des Klimawandels und der Ölknappheit betrachtet, fällt einem sofort auf, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis alle so leben müssen.
Aber was haben Sie denn persönlich erreicht?
Wie gesagt: Freiheit, Unabhängigkeit, Flexibilität und vor allem ein effizienteres Arbeitsverhältnis. Arbeiten wie Holz sammeln, einen Gemüsegarten anlegen bringen mir direkt ein besseres Leben.
Ich finde, Sie haben nur die einen Probleme mit den anderen getauscht. Die Gefahr des Burn-outs mit der Gefahr des Kälteschocks…. Und man denke erst wie Sie es schaffen wollen wieder in das System zurück zu kommen. Denn irgendwann, wenn die Nachbarn zu blöd werden, wenn die Ernte ausfällt oder wenn das Alter die Bewegung einschränkt, werden Sie zurück ins „System“ müssen.
Das System, dass nicht ansatzweise den Klimawandel stoppen kann und Nachhaltigkeit propagiert, wenn aber einer einmal nachhaltig ist diesen sofort diskreditiert. Und Sie werfen mir Inkonsequenz vor?
In diesem Punkt zeigt sich wohl. Es ist eine unergründbare Abwägung von persönlichen Werten des Komforts und Lebensstandards und dem altruistischen Willen der Allgemeinheit zu helfen.
Quellen: SCHULZ, Sandra, Warum Aussteiger unbegabt fürs Glück sind, (Spiegel, 27.11.2007), URL.: https://www.spiegel.de/reise/aktuell/plan-b-warum-aussteiger-unbegabt-fuers-glueck-sind-a-522476.html (Zugriff: 26.11.2020)