von Matilda (9e)

Ich: Dann lass uns doch schon mal mit der ersten Frage starten: Du bist ja Gerichtsmedizinerin, aber wenn man im Internet nachschaut findet man auch oft den Begriff Pathologe*In, also was ist der Unterschied zwischen Pathologie und Rechtsmedizin?

Isabel Arnold (I.A.): Der Unterschied ist eigentlich, dass die Pathologen jedes Gewebe das in der Klinik rausgenommen wird untersuchen. Also vom winzig kleinen Muttermal bis zu einem riesigen Darm- oder Brustkrebs und schauen dann: Ist das ein Krebs? Ist der bösartig? Das machen die Pathologen. Und die Gerichtsmediziner die kommen immer ins Spiel, wenn es juristische Fragestellungen gibt, d.h. wir untersuchen nicht nur Gewebeteile sondern wir untersuchen eigentlich die ganze Leiche und da geht es dann eigentlich immer um Fremdeinwirkungen, also ist jemand anders schuld gewesen, dass der Mensch verstorben ist.

Ich: Was glaubst du ist der Grund, dass das so oft verwechselt wird?

I.A.: Warum das für Verwirrung sorgt, ist, dass das im englisch- und amerikanisch sprachigen Raum das nur ein Facharzt ist. Da gibt es einen Pathologen und der kann sich nochmal spezialisieren auf Forensik, also der heißt dann „forenic pathologist“ und im deutschsprachigen Raum sind das aber zwei verschiedene Sachen, die eigentlich auch nichts miteinander zu tun haben. Also im Prinzip wie ein Kinderarzt und ein Frauenarzt, die haben vielleicht auch eine kleine Überschneidung, aber eigentlich machen sie komplett andere Sachen.

Ich: Okay, und wie sieht so dein Tagesablauf aus? Also was machst du so an deinem Arbeitstag?

I.A.: Also der ist eigentlich immer ganz unterschiedlich… Es gibt Tage an denen habe ich 24 Stunden Rufdienst und da ist es so, dass immer wenn im Kanton Bern eine Leiche gefunden wird, bei der nicht so richtig klar ist, was da jetzt los war- das kann ein Verkehrsunfall sein, den man da klären muss, das kann ein Suizid sein, das kann natürlich ein Delikt sein, dass kann aber auch einfach eine Leiche sein, die niemand kennt, also bei der man nicht weiß, wer das jetzt ist, das kann jemand sein der schon richtig verfault ist oder vielleicht auch verbrannt oder aus dem Wasser geborgen- dann muss ich da hinfahren und mit der Polizei zusammen die Leiche untersuchen und die dann gegebenen Falls später obduzieren, wenn die zu uns kommt, wie man das eigentlich so bisschen aus dem Fernseher kennt. Und was ich sonst so mache ist natürlich viel am Computer sitzen, weil ich dazu natürlich immer einen Bericht schreiben muss. Diese Berichte müssen natürlich sehr exakt und sehr genau sein, weil aufgrund von dem Bericht später vielleicht jemand verurteilt wird, also jemand kommt ins Gefängnis oder bekommt eine Geldstrafe. Also muss dieser Bericht dann schon Hand und Fuß haben und das hat dann auch wirklich Konsequenzen, also meine Einschätzung und was ich da dann schreibe.

Ich: Okay, kommen wir zur nächsten Frage: Da wir ja gerade in einer Pandemie sind – Hat sich durch Corona irgendwas verändert? Gibt es Auswirkungen?

I.A.:  Also tatsächlich gib es Auswirkungen. Wir untersuchen ja nicht nur Tote sondern auch lebendige Leute wenn es um Körperverletzung geht oder bei Sexualdelikten, also bei Vergewaltigungen, bei Kindesmisshandlung und was wir auch untersuchen ist häusliche Gewalt, also wenn praktisch ein Paar sich streitet und es kommt zu Gewalt. Häufig sind das Würgesachen oder Schläge mit Gegenständen und wir sehen schon, dass das durch Corona auf jeden Fall mehr wird und das schon das ganze Jahr.

Ich: Schon krass… Würdest du sagen, dass dein Job eine psychische Belastung für dich darstellt? Du wirst da ja schon ständig mit Tod und Gewalt konfrontiert…

I.A.: Eigentlich nicht so arg…. Also es gibt schon manchmal Fälle die hat man so ein bisschen im Kopf, aber das ist jetzt nicht so, dass ich deswegen nicht schlafen kann.

Ich: Also du sagst, du trennst da die Arbeit gut von deinem persönlichen Leben?

I.A.: Ja, eigentlich schon würde ich sagen.

Ich: Kommen wir zur nächsten, wie ich finde sehr interessanten Frage: Wie bist du auf diesen Beruf gekommen?

I.A.: Ja, also ich glaube bei mir hat sich das einfach so ergeben… Ich wollte immer Gynäkologie machen oder Chirurgie weil ich schon gerne praktisch arbeite, also ich arbeite gerne mit meinen Händen und ich habe auch drei Jahre in einer Klinik gearbeitet in der Chirurgie und ehrlich gesagt haben mich am Ende einfach die Patienten total genervt, weil die mit so kleinen Wehwehchen morgens um vier in die Notaufnahme gekommen sind und ich war dann immer total ungeduldig und war glaube ich einfach eine schlechte Ärztin und dann habe ich einfach irgendwann gedacht ich muss da jetzt was ändern und das kann so nicht weiter gehen. Dann habe ich gesehen das hier eine Stelle ausgeschrieben ist und dann dachte ich ach das mache ich mal ein Jahr und gehe dann danach wieder zurück in die normale Klinik, aber dann hat es mir hier so gut gefallen, dass ich praktisch hängen geblieben bin. Aber ich habe auch tatsächlich einige Kollegen, die nur Medizin studiert haben weil sie in die Gerichtsmedizin wollten und ich glaube auch gerade gibt es ja total viele Krimis und so und ich glaube gerade ist das einfach auch sehr beliebt…

Ich: Und als Abschlussfrage noch… Was planst du so für deine Zukunft? Was steht in nächster Zeit so bei dir an?

I.A.: Also ich denke dass ich jetzt auf jeden Fall erstmal in der Rechtsmedizin bleibe. Was man natürlich sagen muss ist, dass das ein Fach ist bei dem man natürlich immer an eine Uni gebunden ist. Also unser Institut gehört zur Universität und man kann sich als Rechtsmediziner natürlich nicht niederlassen, man kann also nicht in seine eigene Praxis gehen und sich selbstständig machen. Das funktioniert so in diesem Konzept nicht, weil wir ja immer im Auftrag von der Staatsanwaltschaft arbeiten und das soll immer objektiv sein, d.h. man ist da natürlich immer sehr beschränkt in dem was man macht. Ich habe mir natürlich schon überlegt ob man vielleicht noch einen zweiten Facharzt dazu macht, dass man mehr Möglichkeiten hat, aber es gefällt mir im Augenblick jetzt ganz gut.

Ich: In Ordnung, dann auf jeden Fall vielen Dank für das Gespräch, danke für deine Zeit!